Andacht

Liebe Gemeinde,

„Man soll Gott mehr gehorchen als den Menschen“

dieser Spruch aus der Apostelgeschichte 5,29 ist mein Konfirmationsspruch. Ich habe ihn mir damals mit 14 Jahren selbst ausgewählt. Warum? Unser damaliger Pfarrer Herr Ahlmeyer sagte uns damals: ein Taufspruch muss einen Zuspruch enthalten, ein Konfirmationsspruch aber einen Anspruch. Das erzähle ich meinen Konfirmanden auch, aber die meisten wollen auch einen Konfirmationsspruch, in dem Gott ihnen Schutz verspricht oder Engel sie behüten. Ich habe manchmal den Eindruck, dass viele
Christen heutzutage einen Wohlfühlgott haben möchten. Einer, der sie behütet, beschützt und beschenkt, aber keine Ansprüche an sie stellt. Das läge ganz im Trend unserer Gesellschaft, in der die meisten einfach nur ihr bequemes Auskommen
haben und sonst in Ruhe gelassen werden möchten.

Man soll Gott mehr gehorchen als den Menschen.

Dieser Spruch enthält tatsächlich keinen Zuspruch, sondern nur einen Anspruch. Das Wort Gehorchen braucht man bei uns inzwischen selten. Klingt nach Kadavergehorsam. Wie im dritten Reich. Oder beim IS. Oder bei Sektenmitgliedern.

Aber Gott fordert tatsächlich, dass wir ihm gehorchen und aus unserer Wohlfühl- und
Komfortzone herauskommen. Das macht nicht immer Spaß, das kann auch Ärger bedeuten. Warum habe ich mit 14 diesen Spruch gewählt? Weil ich damals schon vorhatte Pfarrerin zu werden und Theologie zu studieren. Mit diesem Wunsch stand ich allein auf weiter Flur. Meine Eltern schüttelten nur den Kopf und meine Mitschüler haben mich deswegen verspottet. Sogar meine eigene Schwester…

Aber mir war Gott wichtiger als die Meinung anderer. Okay, könnte man sagen, das ist noch kein großer Akt, Gott auf diese Weise zu gehorchen. Für mich war es aber eine Entlastung zu erkennen, dass es Wichtigeres auf der Welt gibt als die Meinung anderer.

In diesem Jahr jährt sich zum 80. Mal der Tod von Paul Schneider. Ihr erfahrt etwas über ihn in diesem Gemeindebrief. Auch er hat Gott gehorcht – aber bis zu seinem Tod. Auch er hat nicht auf die Meinung anderer geachtet, doch im 3. Reich war das sein Todesurteil. Er war in vielen Fragen sehr streng mit seiner Gemeinde. Moralisch streng. Er ist aber auch eingestanden für den Gott, dem er vertraute und von dem er wusste, dass es der christliche, biblische Gott ist und nicht der, den die deutschen Christen erfunden hatten. Aber hätte er wirklich so weit gehen müssen? Hätte er nicht auch einmal den Mund halten können? Sein Glaube brachte ihm Folter und Tod. Und ich frage mich: Wie hätte
ich mich damals verhalten? Wie weit wäre ich mit meinem Gehorsam mit Gott gegangen? Sicher nicht so weit wie Paul Schneider. Meinen Tod hätte ich nicht provoziert oder mein Leben riskiert.

Hier und heute, in Westeuropa ist es mit dem Glauben und Gott gehorchen ja ganz einfach, oder? Wir brauchen uns nicht gegen gottlose Unrechtsregime durchsetzen. Bei uns gibt es Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit. Aber ist das wirklich so ungefährlich Gott mehr zu gehorchen als den Menschen? Ich denke da an die Kapitänin Rackete. Sie hat Menschen gerettet aus Seenot. Menschen, die sonst ertrunken oder verdurstet wären. Dafür macht man ihr jetzt den Prozess. Nur weil man diese Menschen, die sie gerettet hat, nicht haben will. Ich denke an die Jugendlichen, die freitags auf die Straße gehen, um für ihre und unsere Zukunft zu kämpfen. Sie werden verspottet und in der Schule gibt es auch Ärger. Ich denke an viele christlichen Gemeinden, die sich für andere Menschen einsetzen und dafür Hasskommentare ernten. Helfer werden immer mehr
angefeindet und angegriffen. Ob sich alle engagieren, weil sie Gott gehorchen wollen, weiß ich natürlich nicht. Aber es ist in seinem Sinne, wenn man sich für andere, die Umwelt oder für Glaubensinhalte einsetzt. Wenn man Gottes Liebe an andere weiter gibt. Doch das wird immer gefährlicher. Gott zu gehorchen, bedeutet aus seiner Komfortzone herauszukommen, sich zu engagieren. Da kann man Spott und Unverständnis ernten oder sogar Hass und Ablehnung. Und in anderen Ländern sogar
Haftstrafen oder den Tod.

Seien wir froh, dass wir hier in einem Rechtsstaat leben. Aber auch hier gibt es Tendenzen christliches und soziales Engagement anzufeinden und diese Kräfte, die das tun, werden wohl nicht weniger werden. Und dennoch, traut euch Gott mehr zu gehorchen als den Menschen. Die Menschen, für die ihr da seid, werden es
euch lohnen. Und Gott sowieso!

Eure
Dagmar Krauth-Zirk

Dagmar Krauth-Zirk
Telefon: 06444/931759
E-Mail: krauth-zirk@t-online.de


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